Es wurde pompös angekündigt: Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen – kurz Bundesteilhabegesetz (BTHG). Von der damals zuständigen Ministerin Andrea Nahles (SPD) als „größte sozialpolitische Reform der Legislatur“ betitelt, auch als „Meilenstein“ oder ein anderes Mal als „Quantensprung für die Teilhabe“. Im Ernst? Bei weitem nicht.
Rückblick: Die Behindertenbewegung war zunächst begeistert. Schließlich wurde die Verabschiedung eines Bundesteilhabegesetzes im Koalitionsvertrag von 2013 als „prioritäre Maßnahme“ angekündigt. Zudem sollte das BTHG mit zusätzlich fünf Milliarden Euro pro Jahr ausgestattet werden. Die Realität holte die Behindertenbewegung spätestens 2016 ein, als die mutlose Gesetzesvorlage präsentiert wurde. Die Neuorganisation der Ausgestaltung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, wollte das Sozialministerium nunmehr so organisieren, dass eben keine neue Ausgabendynamik entsteht. Spätestens jetzt war allen klar, dass aus einem sozialpolitischen Meilenstein ein Rohrkrepierer wurde. Bundesweit folgten Aktionen, Demonstrationen und Proteste. Sie verhallten jedoch weitestgehend ergebnislos.
Versprechen gebrochen
Dies hatte viele Gründe. Zum einen, weil die großen Behindertenverbände das Thema nicht beherzt genug angingen. Zum anderen, weil die Massenmedien das BTHG-Thema links liegen ließen. Statt der versprochenen fünf Milliarden Euro, gab es nur Brotkrumen für uns. Damit nicht genug. Das „Meilengesetz“ sieht Einsparungen vor – etwa bei der Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe von den Leistungen zum Lebensunterhalt. Das Sozialministerium will dadurch im Jahr 2020 rund 378 Millionen Euro einsparen.
Von einer Teilhabe, wie es die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen vorsieht – und die von der Bundesregierung ratifiziert wurde – sind wir noch meilenweit entfernt. Die SPD hat sicherlich auch wegen des BTHG ihre Quittung bei den letzten Landtags- und Bundestagswahlen bekommen.
Verhandlungen auf Augenhöhe
Doch welche Lehren müssen wir aus den Erfahrungen mit dem BTHG ziehen? Die wichtigste Lehre ist, dass „Nichts ohne uns über uns“ eine Chimäre auf der bundespolitischen Bühne ist. Nur weil Behindertenverbände und Interessenvertreter im Gesetzgebungsverfahren eingebunden waren, heißt dies nicht, dass wir unsere wichtigsten Forderungen auch durchsetzen konnten. Auf Augenhöhe wurde niemals verhandelt. Eine der größten sozialpolitischen Chancen wurde vertan.
Meine Haltung ist: So lange Politiker glauben, dass Menschenrechte, die Realisierung von echter Teilhabe und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention nur nach Kassenlage zu realisieren ist, haben sie jegliche sozialpolitische Kompetenz eingebüßt.